Archiv für die Kategorie ‘Buchhändlernähkästchen’

Sollte ich jemals die Situation erleben, dass ich nur ein Buch aus der brennenden Wohnung retten kann, würde ich nicht lange überlegen: „Erogene Zone“ von Philippe Djian.

djian
Es gibt kein Buch, in dem ich öfter gelesen habe, als in diesem ersten Teil von Djians Trilogie über den Schriftsteller Zorg. Es sieht mitgenommen aus und fühlt sich an, wie eine alte Lederbrieftasche, die man seit Jahren täglich bei sich trägt: Weich, abgerundet, vertraut und etwas schmuddelig. Es ist ein treuer Gefährte auf Reisen, auch im Alltag wandert es noch heute alle paar Monate mal durch die Wohnung, und das seit bald 20 Jahren, also mein halbes Leben.
Ich kann mich bei vielen Büchern daran erinnern, wie ich sie gekauft und gelesen habe. Meistens nur kleine Szenen, kurze Gedankenfetzen. Bei „Erogene Zone“ kann ich im Kopfkino den halben Tag dazu abspielen, so genau hat sich der Kauf und besonders das Lesen der ersten Seiten eingebrannt, weil es mich sofort aus den Socken gehauen hat. Sowas hatte ich bis dahin noch nicht gelesen, ich war so begeistert, elektrisiert, wie nur selten in meinem Leben. Leider bin ich auch schon dahinter gekommen, dass mit fortschreitendem Alter solche Momente immer seltener werden, weil man einfach schon so viel kennt und es nicht wirklich viel Neues gibt. Bekanntes wiederholt sich nur in neuer Zusammensetzung oder mit neuem Anstrich.
Ich denke, dass etliche seiner Leser aus dieser Zeit es ähnlich empfinden. Djian hat uns mit späteren Romanen oft enttäuscht, weil wir einfach die Stimmung in dieser Trilogie geliebt haben. Es ist wie ein wunderbares melancholisches Lied über das Leben, Freiheit und Leidenschaft, bei dem man sich einfach gut und lebendig fühlt, wenn man es hört. Und darum ist es so, wie bei einem Musiker, der vor vielen Jahren eben dieses eine Lied hatte, das alle noch Jahrzehnte später bei jedem Konzert lautstark fordern und mit dem größten Applaus und Jubel belohnen. Und das er vielleicht selbst mittlerweile hasst, weil er ständig daran gemessen wird.
Und nun ist die „Erogene Zone“ von Phillipe Djian vergriffen. Da mag so manch einer sagen, dass die Vergleiche hinken, aber für mich fühlt es sich so an, als hätte ich gerade erfahren, dass „Der Fänger im Roggen“, „On the Road/Unterwegs“ oder der „Steppenwolf“ vergriffen sind.
Lieber Diogenes Verlag, Bücher, die Leben verändern, sind viel zu selten, die kann man doch den nachfolgenden Generationen nicht vorenthalten?!
„Später hing ich in einem Liegestuhl, keine Ahnung, wie ich da reingekommen war, ich sah den Sternenhimmel, und der Gedanke, ich sei ein Nichts, der kam mir nicht, ich dachte nicht an diese Milliarden von Sonnen und an den ganzen Kram über den Ursprung des Lebens, an den unendlich Abgrund der Parallaxen und die Theorie des Urknalls, nein, ich dachte, verdammtnochmal, hoffentlich hat sie meinen Roman nicht zum Fenster rausgeschmissen, hoffentlich hat sie es nicht getan! Ich biss die Zähne zusammen, und ne Zeit lang lief es mir kalt den Rücken runter.“ (S. 164)

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Damit mir keiner vorwerfen kann, dass ich nur noch auf dem bösen Facebook poste, auch hier mal wieder ein bisschen BlaBla:

Der Weg nach Hause hatte heute das Motto „Weltuntergang“. Pünktlich zum Feierabend kam ein Sturm auf, und kaum bin ich ein paar Schritte gelaufen, setzte der Regen ein. Warum gibt es noch keine diskreten Scheibenwischer für Brillengläser? Da es sie noch nicht gibt, bzw. ich keine habe, bin ich halbblind (Wasser + Licht = GRELL!!!) nach Hause gestolpert, habe jede tiefe Pfütze mitgenommen und hatte Schiss, dass mir irgendein Stück Baum auf den Kopf knallt. Spätestens ab der Hälfte des Weges fühlte ich mich, als hätte ich mich mit Klamotten unter die Dusche gestellt.

Aber, meine Ausbeute des Tages habe ich trocken nach Hause bekommen:

Danke, liebe Osterhasen Weihnachtsmänner Verlagsvertreter! 🙂

Besonders anstrengend.
Kaum haben wir die Tür aufgeschlossen, steht da schon ein Mann mit folgendem Wunsch im Laden: „Meine Frau schickt mich. Sie sollen ein Buch mit einem Pferd vorne drauf haben. Mehr hat sie nicht gesagt.“ (Darum konnten wir ihm auch nicht helfen.)
Eine Kundin kauft einen Kalender und sagt: “ Den möchte ich gern verschicken. Was machen wir denn da?“ (Wir? Da ich keine Nerven habe, mich darüber zu unterhalten, warum das nun „unser gemeinsames Problem“ ist, gehe ich im Wareneingang gucken, ob wir noch einen großen Versandumschlag haben. Hatten wir. Dann hatte sie ihn.)
Eine Kundin reicht mir an der Kasse ein Taschenbuch und fragt: „Möchten Sie das gerne einpacken?“ (Nein!!! schreit es in mir. Aber da sie keine ehrliche Antwort erwartet, packe ich es ein.)
Dann sind da die Wir-klappern-alle-Läden-ab-Familien: Eltern, die von ihren Kindern genervt sind, weil die Kinder überdreht und gelangweilt sind. Als Gesamtpaket ziemlich anstrengend. Sie blockieren Gänge mit Kinderwagen und Sitzblockaden, viele Eltern geben ihre Aufsichtspflicht mit Betreten des Ladens an uns ab, und heute hat ein Kind mit einer (versehentlich liegengelassenen) Preispistole den halben Kinderbuchtisch bearbeitet. Sowieso dekorieren Kinder sehr gern um.
Tja, und manchmal glaube ich, dass hinter der Ähnlichkeit der Worte „Tourist“ und „Terrorist“ ein tieferer Sinn steckt…
Aber nun: Endlich Wochenende! 🙂

Schade eigentlich, aber meistens vergesse ich solche Kundengeschichten wieder recht schnell, aber drei aus der vergangenen Woche hab ich mir doch mal gemerkt:

Kundin spricht mich an: „Meine Tochter würde auch gerne in so einem Buchbüro wie hier arbeiten, momentan arbeitet sie noch in einem Antiquarium, das ist ja fast das Gleiche. Suchen Sie noch eine Hilfe?“

***

Kundin: „Haben Sie Blumenohren?“
Ich: „Blumenohren?“
Kundin: „Ja, Blumenohren. Die sind aus Pappe.“
Ich gebe das als Suchbegriff in unsere Bibliographie ein, während in meinem Kopf die seltsamsten Bilder von diesem unbekannten Objekt entstehen (z.B eine Pappmaske fürs Gesicht mit großen Sonnenblumen statt Ohren), bekomme aber kein Ergebnis. Bei Google erfahre ich, dass es eine Pflanze gibt, die „BlumenRohr“ heißt.
Ich erzähle das der Kundin.
Kundin: „Nein, das heißt Blumenohr. Das ist so rund, eben eine Ohr, auf der man sehen kann, wann sich die Blumen öffnen.“
Ich: “ Eine BlumenUhr also?“
Kundin: „Ja, genau, eine Blumenohr!“
Die ließ sich dann finden und bestellen.
Ja … wieder diese böse Dialektfalle … wobei ich zugeben muss, dass ich bis dahin auch noch nie von einer Blumenuhr gehört habe. 😉

***

Und noch ein kleines Dialekterlebnis, bei der ich allerdings nur Zuhörer war.
Mutter und Tochter (etwa 10 Jahre alt) betreten den Laden und gehen direkt zur Kinderbuchabteilung.
Kind: „Bekomm ich heute zwei Was?“
Mutter: „Nein, heute gibt es nur die CD.“
Kind: „Bitte! Ich will aber zwei Was!“
Mutter: „Nein, ein Was reicht.“
Letztendlich hat das Mädchen dann aber doch „zwei Was“ bekommen, nämlich eine CD und ein kleines Buch.

Sehr schön sind in diesem Zusammenhang (der sächsische Dialekt) auch die Nachfragen nach einem „Klobus“ (gruseliger dann die Frage nach gleich mehreren „Klobussen“, wobei der gebildetere Fragensteller sie doch noch „Kloben“ nennt). 😉